Brauereigasthäuser in Wien

Text: Emely Nobis

Die Wiener Bierkultur ist jahrhundertealt und die Tradition wird dank der Beliebtheit der Spezialbieren wiederbelebt. Welches sind die besten Brauereigasthäuser in der österreichischen Hauptstadt?

Heutzutage gilt Salzburg als die Bierstadt Österreichs, und wir assoziieren Wien eher mit Wein. Dennoch war Wien vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch eine Bierhochburg. Ursprünglich war sein Trinken streng reglementiert. Zwischen 1330 und 1772 läutete jeden Abend die Bierglocke des Stephansdoms (Bieringerin) als Zeichen dafür, dass der Wirt nicht mehr einschenken durfte. Die Missachtung dieser Regel wurde mit hohen Geldstrafen und sogar mit Gefängnis bestraft. Auch das Brauen selbst war geregelt. Wegen der Brandgefahr befanden sich die meisten Brauereien knapp außerhalb der Stadtmauern am Wienfluss. Wenn sie ihr Bier in Wien verkaufen wollten, mussten sie Steuern an das Bürgerspital entrichten. Das von wohlhabenden Wiener Bürgern gegründete Altersheim verfügte über eine eigene Brauerei und erwarb 1432 das ausschließliche Braurecht für Wien, wodurch es ein Quasi-Monopol erhielt. Um Steuern zu vermeiden, eröffneten daher viele Brauereien ihre eigenen Restaurants und Cafés in den Vorstädten. Eine gastronomische Erweiterung der Stadt fand sozusagen um den Zoll herum statt. Im Dorf Ottakring (heute ein Wiener Bezirk) hatten sogar zwei Drittel der einhundertfünfzig Häuser eine „Ausschanklizenz“. Die Bewohner Wiens waren froh, die Reise zu machen: außerhalb der Stadt sei es billiger und angenehmer, meinten sie.

Wiener Lager

Vorstädtische Lokale von damals berühmten Brauereien wie Johann Fritz Dengler, Anton Dreher und Josef Gierster florierten im 19. Jahrhundert. Dies war zum Teil auf den raschen Anstieg der Einwohnerzahl Wiens zurückzuführen, die sich von rund 470.000 im Jahr 1840 bis zum Ende des Jahrhunderts fast vervierfachte. Viele Neuankömmlinge kamen aus traditionellen Bier produzierenden Ländern wie Böhmen und Schlesien. Ihnen ist es zum Teil zu verdanken, dass Bier zu einem beliebten Getränk wurde, aber auch Studenten und Intellektuelle trafen sich gerne in den oft großen Bierhallen und Gärten der rund fünfzig Brauereien in Wien und seinen Vorstädten. Sie konnten aus einer bemerkenswert großen Auswahl an Bieren wählen. Allein schon die Brauerei des Bürgerspitals stellte sechs Biersorten her: ein dunkles Bier, drei Sorten Weißbier, ein einfaches Gerstenbier und sogar ein Weinbier. Im Jahr 1841 brachte der aus Schwechat kommende Anton Dreher das Wiener Lager auf den Markt: ein untergäriges, bernsteinfarbenes, vollmundiges und nicht zu bitteres Bier. Es wurde bald in zahlreiche Länder exportiert und ist bis heute Österreichs berühmtester Bierstil. Doch am Ende des Jahrhunderts wurde das hellere, goldgelbe Pilsner aus Böhmen (damals auch Teil Österreichs) zum dominierenden Bierstil. Um 1900 war das Wiener Lager in Österreich selbst praktisch nicht mehr vorhanden. Infolge der Industrialisierung und der Massenproduktion von Bier schlossen schließlich fast alle Wiener Brauereien ihre Tore. Die einzige verbliebene größere selbstständige Brauerei aus der Bierzeit ist die 1838 gegründete Ottakringer.

Wien ist heute vor allem eine Weinstadt. Dennoch wird die Biertradition dank der Nachfrage nach Bieren mit mehr Geschmack langsam wiederbelebt. Eine wachsende Zahl von Brauerei-Cafés bietet wieder eine breite Palette von Biersorten an: vom einfachen ‚Helles‘ bis zum experimentellen Craft Beer. Alle unfiltriert, frisch gebraut und ohne Konservierungsstoffe. Hier ein Überblick über die besten Bierlokale der Hauptstadt.

Informationen über handwerkliche Bierveranstaltungen in Wien: viennabeerweek.at

Wien: Ottakringer

Neben etwa zweihundert Kleinbrauereien gibt es in Österreich zwei große Privatbrauereien: Stiegl (Salzburg) und die Wiener Ottakringer. Ottakringer wurde 1838 vom Müller Heinrich Plank unter dem Namen Planksche Brauerei gegründet. Im Jahr 1850 verkaufte er sein Unternehmen an die jüdische Familie Kuffner, die vier Generationen lang Bier in Ottakring braute. Mit einem eigenen Betriebsarzt, Arbeiterhäusern und einer Betriebskantine war Kuffner zu dieser Zeit ein sehr sozialer Arbeitgeber. Zwei Nachkommen der Familie waren Bürgermeister von Ottakring, als es noch nicht zu Wien gehörte. Nach dem deutsch-österreichischen Anschluss 1938 war der damals 85-jährige Moriz Kuffner gezwungen, seine Firma an den Getränkehändler Gustav Harner zu verkaufen und über die Schweiz in die Vereinigten Staaten zu fliehen. In den Jahren 1949-1950 bot die Familie Harner den Kuffner-Erben an, das Unternehmen weiterzuführen. Als diese nicht wollten, zahlten sie Rückerstattungsgeld als Ausgleich für den ursprünglichen Verkaufspreis, der viel zu niedrig war.

Die Familie Harner ist nach wie vor Eigentümerin der Ottakringer Brauerei. Ihre Biere stehen in fast allen österreichischen Supermärkten zum Verkauf. Direkt neben dem schönen historischen Firmengelände (Ottakringer Platz 1) befindet sich ein moderner Glasturm, in dem sich die relativ neue Craft Beer Brauerei befindet: das Brauwerk. In beiden Brauereien können Sie an einer Führung mit Verkostung teilnehmen.

ottakringerbrauerei.at, brauwerk.wien

Brauereigasthäuser

Wieden Bräu

Die Café-Brauerei der Familie Stark, ein klassisches Gasthaus mit viel Holz, stammt aus dem Jahr 1991 und verfügt über einen privaten Innenhof mit Terrasse. Der Brauer Bernd Kistler kommt aus Deutschland und der Besitzer lässt ihm viel Raum zum Experimentieren. Er hat bereits Bierkreationen mit Schokolade, Hanf oder Orangenblüte hergestellt. Nicht alles gelingt: „Mein Aprikosenbier mit zweihundert Kilo entkernten frischen Aprikosen im Tank war sehr beliebt aber die Gäste mochten mein Kirschbier überhaupt nicht.“ Falls gewünscht, können Sie seine Biere (in einer Zehn-Liter-Flasche) auch für zu Hause kaufen. Vom Fass: Helles, Märzen und Dunkles und alle paar Wochen ein wechselndes Spezialbier. Spezialitäten: Salat mit Bier-rettich, belegtes Riesenschwarzbrot, der Bierbrand Stark 3 Malz. Waaggasse 5, wieden-braeu.at

Salm Bräu

Die Firma Salm & Co baut seit 1924 Brauanlagen (heute in dreißig Ländern). 1994 eröffneten die Eigentümer – die Familie Welledits – ihr eigenes Brauerei-Café in einem ehemaligen Salesianerkloster neben dem Schloss Belvedere in Wien. Das Geheimnis eines guten Bieres ist laut Braumeister Jakub Martinka: „Große Brauereien reduzieren die Ruhezeit des Bieres, filtrieren es meist und pasteurisieren es. Nichts davon kommt dem Geschmack zugute. Unfiltriertes Bier ist voller und nicht erhitztes Bier hat mehr Aroma. Darüber hinaus muss Bier mindestens drei Wochen ruhen, um einige Substanzen und Aromen zu reduzieren und andere zu stärken, wie z.B. der Bittergeschmack der Hopfen“. Vom Fass: Pils, Helles, Märzen, Böhmisch G’mischt, Weizen und ein wechselndes Spezialbier. Spezialitäten: Spareribs, Brand und Whisky, hergestellt aus dem letzten Bier, das aus jedem Tank kommt. Rennweg 8, salmbraeu.com

Brewing Company 1516

Dieses Café, dessen Name sich auf das bayerische Reinheitsgebot von 1516 bezieht, gilt als ein Hotspot der österreichischen Craft-Bierszene. Es ist immer viel los (manchmal überfüllt), weil auch viele Touristen es wegen der zentralen Lage finden. Der Inhaber Horst Ansanger gilt als einer der kreativsten Brauer Wiens. Vom Fass: Lager, Victory Hop Devil IPA, Kirils Amber Ale, 1516 Black & Tan, Candy Shack double trouble, Slipper Pale Ale und mehr. Spezialitäten: Dry Aged Rib Eye Steak, biergegartes Kalbsbeuscherl, und viel Vegetarisches. Schwarzenbergstraße 2, 1516brewingcompany.com

Siebenstern Bräu

In diesem großen und gemütlichen Brauerei-Café, das 1994 von Sigmund Flitter gegründet wurde, richtet sich die ganze Aufmerksamkeit auf die beiden großen Kupfer-Sudkessel (je 1500 Liter), die unter einer Kuppel in der Mitte des Raumes glänzen. Das Unternehmen verfügt auch über einen Gassenverkauf, in dem alle Biere des Hauses in nostalgischen Bügelflaschen (1 Liter) oder in 5-Liter-Fässern zum Verkauf angeboten werden. Am Bierautomaten am Eingang können Sie auch außerhalb der Öffnungszeiten Halbliterflaschen kaufen. Vom Fass: Smoked Porter, Weizen Classic, Wiener Helles, Prager Dunkles, Märzen, Hanf, Chili und rund um Weihnachten ein Bockbier. Spezialitäten: Geröstetes dunkles Brot mit dem (scharfen) 7Stern Bieraufstrich und einem 7Sternbürger. Auch ein 7Stern Obstbrand. Siebensterngasse 19, 7stern.at

Fischer Braü

Blickfang in diesem stimmungsvollen Brauerei-Café mit mehreren dunklen holzverkleideten Räumen ist die Kupferwand hinter der Bar mit sechs Bierzapfen. Aus diesen Zapfhähnen kommen nicht nur die Hausbiere, sondern auch Grieskirchner Pils en Dunkel von der Kleinbrauerei Hirt aus Kärnten. Der schöne, private Biergarten grenzt an ein orangerie-ähnliches Nebengebäude, in dem man die Bierkessel sehen kann. Vom Fass: Helles und auch ein wechselndes Saisonbier wie Osterbock (April), Weißes (Sommer), Dinkelbier (November) und Pale Ale (Februar). Spezialitäten: Große Auswahl an Bauernbrot mit Aufstrichen und anderen Belägen. 19. BBillrothstraße 17, fischerbraeu.at

Stöckl im Park

Großes und relativ neues Brauereirestaurant mit Gastgarten (insgesamt 880 Sitzplätze) des Gastronomen Walter Welledits im historischen, barocken Schwarzenberggarten in der Nähe des Belvedere.  Vom Fass: Helles, Pils, Märzen, G’mischtes, Weizen. Spezialitäten: ‚Raffinierte Wiener Küche zu normalen Restaurantpreisen‘, so das eigene Motto des Restaurants. Prinz Eugen-Straße 25stoecklimpark.at

The Highlander

Seit 2000 braut Ulrich Schneider in seinem Café Lager, Märzen und Stout. Kupfer-Sudkessel an der Bar geben dem Raum ein besonderes Flair. Im großen Biergarten sitzt man unter den Platanen. Vom Fass: Lager, Märzen, Stout. Spezialitäten: Die Highländer Platte, zu der Spareribs, frittierte Zwiebelringe und Chicken Wings gehören, legt eine solide Biergrundlage. Sobieskiplatz 4, the-highlander.at

Medl Bräu

Diese Brauereigaststätte mit Biergarten in Penzing (14. Bezirk) wurde 1989 gegründet. Johann Medl, gelernter Fleischhauer, der damals bei der Wiener Stadtreinigung arbeitete, konnte sich nach einem Lottogewinn den Traum vom eigenen Gasthaus in Wien erfüllen. Zu Weihnachten und Ostern gibt es neben den regulären (unfiltrierten) Bieren immer ein „Bokbier“ und im Sommer ein „Witbier“. Vom Fass: Märzen, Helles und Dunkles. Spezialitäten: Große Auswahl an Sandwiches.  Linzer Straße 275, medl-braeu.at

Roter Hiasl

Wirtshaus aus dem Jahr 1862 in Donaustadt (21. Bezirk), weit vom Stadtzentrum entfernt, aber ein netter Ort zum Einkehren bei einem Spaziergang durch das Grüne. Roland Reisinger baute 2012 eine kleine Brühgruppe hinter der Küche. Vom Fass: Helles, Zwickl, Alt und Gmischter. Spezialitäten: Wöchentlich wechselndes vegetarisches und veganes Gericht. Biberhaufenweg 228, roterhiasl.at

Rathausplatz mit Dreifaltigkeitssäule
Franz Carl Brunnen
Rathaus
Schloss Porcia
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