Stroh

Inländer Rum

Wie ein starkes Getränk für Soldaten seinen Weg zum Après-Ski und in die Küche fand.

Text: Emely Nobis /  Bild: Stroh

Was ist Stroh?

Eine Brennerei aus Klagenfurt, die Obstbrände und Liköre herstellt, aber weltweit am bekanntesten ist für ihre eigene Marke Stroh Rum: ein sogenannter Inländer-Rum mit Aromen von Vanille, Orangenschale, Nelken und Walnuss: geeignet für Winter, Schnee und Geselligkeit in Berghütten. Beim Après-Ski in Österreich trinken Wintersportler gerne Tee oder Schokomilch mit Stroh-Rum. Das Getränk gibt es in verschiedenen Alkoholanteilen, wobei 80% die stärkste Variante ist.

Warum Inländer Rum?

Ende des 19. Jahrhunderts war es in ganz Europa üblich, dass eine tägliche Dosis Rum zum Sold der Soldaten gehörte. Die österreichisch-ungarische Monarchie wollte nicht zurückbleiben, verfügte aber mangels karibischer Kolonien nicht über den notwendigen Rohstoff Zuckerrohr. Als Lösung begannen sie mit der Destillation von Zuckerrüben. Diesem neutralen Alkohol wurden Geschmacksaromen und Duftstoffe zugesetzt, um eine Art Rum herzustellen. Das Endergebnis hieß Inländer Rum. Heute ist es eine geschützte österreichische Spezialität, die nur dann als solche bezeichnet werden darf, wenn die gesamte Produktion in Österreich stattfindet. Seit 1999 muss der verarbeitete Alkohol auch aus Zuckerrohr stammen (der dann wieder importiert werden darf). Inländer Rum ist also weder ein ‚Fake-Rum‘, noch wird er aus Stroh hergestellt – wie manche Leute wirklich denken. Dennoch schmeckt er aufgrund der hinzugefügten Gewürze ganz anders als karibischer Rum.

Wer hat die Destillerie gegründet?

Sebastian Stroh, ein 1792 geborener Deutscher, der nach Österreich ging, um das Destillieren zu lernen, und der nie wegging, weil er sich in eine Dame aus Klagenfurt verliebte. Ab 1832 stellte er Brände und Liköre her. Als der Inländer-Rum (von einem Apotheker) erfunden wurde, war Stroh einer der vielen Destillateure, die das Grundrezept mit ihren eigenen geheimen Zutaten anreicherten. Diese Originalrezeptur wird in einem Safe aufbewahrt und ist auch heute noch die Grundlage für die Produktion, mit höchstens geringfügigen Anpassungen zur Verbesserung der Qualität. Es gibt mehrere Hersteller von Inländer-Rum in Österreich, aber nur die Marke Stroh ist weltweit bekannt. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Familie schon früh mit dem Export begann. Im Archiv wurden Berichte von Schiffsreisen in die Vereinigten Staaten zwischen 1915 und 1920 gefunden. Die clevere Familie Stroh suchte heraus, wo in dieser neuen Welt österreichische Emigranten lebten und bearbeitete den neuen Markt über diese ‚Fans‘. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die in Österreich stationierten amerikanischen Soldaten zu wichtigen Botschaftern und auch heute noch läuft das Marketing teilweise über österreichische Expats in aller Welt. Die Familie selbst ist nicht mehr beteiligt. Sie verkauften das Unternehmen Mitte der 1990er Jahre an einen internationalen Konzern. Erst seit es 2008 durch ein Management-Buyout von seinem derzeitigen Eigentümer Harold Burstein gekauft wurde, ist es wieder ein rein österreichisches Unternehmen.

Wann und wie trinken Sie ihn?

Das hängt ganz davon ab, wo Sie wohnen. Die ‚Republik Stroh‘ – wie das Unternehmen die 42 Länder nennt, in die es exportiert – hat viele Trinkgewohnheiten. Die Deutschen setzen auf Stroh in Schokomilch oder Tee (Jagertee) und auch Cola-Rum ist beliebt. Wo wir Stroh hauptsächlich mit ‚Hüttengaudi‘ assoziieren, fehlt es in einem Land wie Südafrika an jede Verbindung zu Winter, Schnee und Kälte. Dort ist Inländer-Rum ein echtes Cocktail- und Partygetränk. In Österreich selbst hat die Marke vielleicht das altmodischste Image. Da Stroh 80 vor allem beim Backen verwendet wird, zum Beispiel zum Aromatisieren von Apfelstrudel, sehen viele junge Leute darin etwas aus der Oma-Zeit. Bei Stroh selbst empfiehlt man tatsächlich die 80er beim Backen, denn sie ist ideal, wenn man wenig Flüssigkeit und viel Aroma braucht. Die Prozentsätze 40 oder 60 eignen sich besonders für Mischgetränke, zum Beispiel für einen Erdbeercocktail mit Tonic, Limette, Zitrone, Beeren und Stroh 40. „Nur Stroh 38 kann auch pur oder ‚on the rocks‘ (mit Eis) getrunken werden“, findet zumindest Marketing- und Vertriebsleiter Dominik Mattes. Wenn Sie die Unterschiede zwischen den Prozentsätzen schmecken wollen, rät er Ihnen, jedes Mal nur einen Tropfen auf die Zunge zu geben und ihn langsam im Mund schweben zu lassen. Das Aroma wird noch besser, wenn Sie den Rum mit einem Tropfen warmen Wassers mischen.

Wo kann man probieren?

Außer in der Skihütte zu Hause. Fast jedes Spirituosengeschäft hat Stroh in den Regalen. Die Marke ist an den braunen Bauchflaschen mit den orangefarbenen Etiketten und dem siebzigerjahre Logo zu erkennen. Seriöse Vermarkter wollten dieses Logo ein paar Mal ändern, aber Untersuchungen unter Verbrauchern zeigten, dass wirklich niemand darauf gewartet hat. In einer Zeit, in der sich so vieles so schnell verändert, scheinen Kunden großen Wert auf die Wiedererkennbarkeit einer klassischen Marke zu legen, denken sie bei Stroh. Oder wie Mattes es ausdrückt: „Retro ist in und wir sind authentisch Retro“.

stroh.at

Vöslauer 2008, Produktion Peter Rigaud
Vase nach einem Entwurf von Zaha Hadid
Arie van Hoorne© FREN Media
Blaudruckerei Koó, Joseph & Miriam© FREN Media
© Stekovics