Vitus Winkler

Die Natur auf den Teller

Text: Frits Roest / Bild: Vitus Winkler

Vitus Winkler will die Natur rund um sein Gourmetrestaurant in den Pongauer Bergen auf den Teller bringen. Mit Erfolg. Er ist einer der aufstrebende Sterne der österreichischen Küche.
Eva-Maria und Vitus Winkler mit ihrem Sohn Lukas

Eva-Maria und Vitus Winkler mit ihrem Sohn Lukas © Vitus Winkler / Foto Lebesmuehlbacher

Schon mit acht Jahren kaufte er einen Mixer, so sicher war Vitus Winkler, dass er das Kochen zu seinem Beruf machen wollte. Es liegt ihm im Blut. Er ist die vierte Generation im Gasthaus, das seine Urgroßmutter Fanny 1928 in St. Veit im Pongau (Salzburgerland) eröffnete und das seine (Groß-)Eltern zum Hotel Sonnhof ausbauten. „Meine Großmutter hat schon frische Ravioli gemacht, als die italienische Küche hier noch kaum bekannt war. Meine Mutter hat auch sehr gut gekocht und hatte eine Gault Millau-Haube. Als meine Frau und ich das Geschäft übernahmen, wollte ich es natürlich besser machen als meine Mutter“.

Chef's table

Chef’s table

Sie eröffneten ein separates Gourmet-Restaurant im Hotel – Vitus Cooking – und stehen nun in verschiedenen kulinarischen Rankings ganz oben. „Darauf bin ich stolz, und das hilft uns auch, uns von der Masse abzuheben. Es gibt viele gute Restaurants im Salzburgerland mit z.B. ein oder zwei Hauben. Wenn man mehr Hauben hat, ist das eine zusätzliche Motivation, hierher zu kommen.

Waldspaziergang

Gerade durch die Arbeit an dem Ort, an dem er aufgewachsen ist, hat er seinen eigenen Kochstil gefunden. Seine Inspiration bezieht er aus den umliegenden Wäldern und Weiden. „Die Natur ist hier überwältigend. Es gibt so viel Schönes zu pflücken, zu sammeln und zu nutzen… diese verborgenen Schätze bestimmen die Richtung, in die ich mich und die alpine Küche entwickeln möchte. Wenn ich durch den Wald gehe, denke ich ständig darüber nach, wie ich ein Gericht so zubereiten kann, dass der Gast beim Probieren fast das Gefühl hat, durch den Wald zu gehen.“

Brunch

Brunch © Vitus Winkler / Foto Mario Stockhausen

Fast jeden Tag geht er auf Nahrungssuche. Dann kommt er mit Wildkräutern, Löwenzahn, Brennnesseln, Heidelbeeren, Pilzen oder sogar Kiefernzweigen zurück. Köstlich zum Aromatisieren eines Desserts. Seine Gerichte tragen nicht nur Namen wie „Waldspaziergang“ oder „Wald & Wiese“: Er schafft es wirklich, die entsprechenden Düfte, Aromen und Farben auf den Teller zu bringen. Sein Rauriser Wildbret mit Pfifferlingen, Sellerie, Walderdbeeren, schwarzen Nüssen und Wildkräutern schmeckt erdig und herbstlich. Beim Dessert „Beerenwald“ liegen Waldfrüchte (frisch und als Sorbet, Baiser und Gelee) zwischen einem Schokobaumstamm, Moos und Zirbenpulver. Er kocht mit dem, was die Saison und die Region zu bieten haben, und verwandelt es in komplexe Kompositionen mit verschiedenen Aromen, Texturen und Techniken. Kräuter und essbare Blüten finden sich in jedem Gericht, und auch die Präsentation trägt zum Esserlebnis bei. Die Pilzbutter mit dem (selbstgebackenen) Brot hat beispielsweise die Form und Farbe eines Pilzes, und das „Predessert“ Maisfeld – Bauernjoghurteis, Polentatörtchen und Popcorn – wird auf einem goldenen Löffel serviert, der wiederum auf einer mit gelbem Maismehl gefüllten Schale ruht. Es ist kreativ, originell und vielschichtig. „Ich möchte zeigen, was ich kann und was technisch möglich ist. Ich neige dazu, viel auf einmal zu zeigen, aber alles, was auf dem Teller liegt, hat eine Funktion.

Abenddämmerung

Abenddämmerung © Vitus Winkler

Es gibt kein festes Menü. Die Gäste geben nur an, wie viele Gänge sie essen möchten, was sie nicht mögen oder worauf sie allergisch sind, alles andere überlassen sie dem Koch. Das Überraschungsmenü – mit einem großen Anteil an Gemüse – wechselt regelmäßig. „Jeden Morgen besprechen wir, welche Produkte verfügbar sind, welche Gäste kommen und was wir für sie kochen werden. Wer zwei- oder dreimal hintereinander hier essen geht, sollte natürlich jedes Mal ein anderes Menü bekommen. Wenn nötig, können wir auf die charakteristischen Gerichte zurückgreifen, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben“.

Nicht festgenagelt

Während und nach seiner Ausbildung im Gastgewerbe arbeitete er etwa sieben Jahre lang im In- und Ausland. „Nie mehr als eine oder zwei Saisonen, denn ich war mir immer sicher, dass ich irgendwann hier kochen wollte. Warum? Weil ich hier geerdet bin. Außerdem hätten meine Eltern das Geschäft sonst verkaufen müssen. Das hätte ich nicht übers Herz gebracht.“

Fischgericht

Fischgericht © Vitus Winkler / Petr Blaha

Als er mit 24 Jahren seine Frau Eva-Maria kennenlernte, kehrte er für immer nach Hause zurück. „Die Tatsache, dass sie es mit mir machen wollte, war entscheidend. Ich könnte diese Arbeit nicht allein bewältigen“. Anfänglich kochte er gemeinsam mit seiner Mutter. Im Jahr 2012 übernahmen er und Eva-Maria den Betrieb komplett, renovierten und modernisierten das Hotel (in dem sie auch wohnen) nach ihren Vorstellungen und eröffneten das Gourmetrestaurant Vitus Cooking: zeitgemäß, nicht prätentiös und mit vielen natürlichen Materialien. Nur die authentische Stube, mit der alles vor neunzig Jahren begann, blieb unverändert. Dieser dient nun als gemütlicher Frühstücksraum für die Hotelgäste. Wenn Vitus Winkler frei hat oder im Urlaub ist, ist sein Gourmetrestaurant geschlossen. „Das muss auch sein. Wir haben ein kleines Team und ich bereite fast alle Haupt- und Zwischengerichte selbst zu. Außerdem serviere ich das Amuse-Gueule immer persönlich am Tisch. Die Gäste sehen gerne, wer in der Küche steht, und ich mag den Kontakt mit meinen Gästen.“

Gourmetrestaurant Kräuterreich in hotel Sonnhof by Vitus Winkler, Kirchweg 2 in St. Veit im Pongau, sonnhof-vituswinkler.at

Vitus Winkler (1983)

  • Verheiratet mit Eva-Maria, Sohn Lukas Vitus
  • Restaurant: Falstaff: 3 Gabel, À la Carte: 4 Sterne, Gault Millau: 4 Hauben, Schlemmer Atlas: 4 Kochlöffel
  • Mitglied der Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE), einer europäischen Organisation von jungen Spitzenköchen.
  • Wissenswert: Vitus Winkler hat auch ein Kochbuch geschrieben: Der Essenmacher. essenmacher.at
  • Wissenswert: Hotel Sonnhof (60 km südlich von Salzburg) gehört zu den Genießerhotels für Gourmets und Weinkenner. Vitus Winkler nimmt seine Gäste regelmäßig mit auf Kräuterwanderungen in der Natur.
Hubert Wallner
© Juergen Skarwan
© Luzia Ellert