Josef Floh

Freestyle-Koch

Text: Frits Roest / Bild: Der Floh, Juergen Skarwan

Im Jahr 2009 zeichnete Josef Floh einen imaginären Kreis von 66 Kilometern um sein Restaurant in Langenlebarn (Niederösterreich). Von nun an wollte er nur noch mit den besten Produkten von Lieferanten aus diesem Kreis kochen. Was sind die Zutaten seines Radius-66-Konzepts?

Bitten Sie Josef Floh nicht, ein Gericht zu reproduzieren, das vor zwei Jahren auf der Speisekarte stand. Das kann er nicht. „Ich verwende kaum Rezepte und schreibe nichts auf. Mein Kochstil ist ein intuitiver und freier Stil. Viele Köche basteln an einem Gericht herum, bis es perfekt ist. Ich will einfach nur experimentieren, auch wenn es manchmal nicht hundertprozentig klappt. Ich kann damit leben und meine Gäste auch.“

Sein Drang zum Experiment führte zu seinem eigenen Restaurantkonzept: Radius 66. Es liegt daran, dass er fast ausschließlich mit Produkten aus einem Umkreis von 66 Kilometern um das Restaurant kocht. Auslöser war die Geburt seiner Tochter Luisa im Jahr 2009. „Damals habe ich angefangen, viel über unsere Nahrungsmittelkette nachzudenken. Woher kommt es, wer stellt es her und wie wird es angebaut? Früher habe ich ein Menü zusammengestellt und dann eine Einkaufsliste gemacht. Jetzt fahren wir jede Woche zum Bauern – oder andersherum – und sehen nach, was es dort gibt. Erst dann entscheiden wir über das Menü. Das sollte normal sein.“

Einige Ausnahmen von der Radius-66-Regel macht er jedoch: „Ich kann ohne Schokolade nicht leben, und meine Weine kommen aus der ganzen Welt. Das sage ich auch meinen Gästen.“

Wein-Oskars

Niemand nennt Floh (mit unzertrennlichem Strohhut) beim Vornamen. Sogar Ehefrau Elisabeth sagt: Der Floh. Als er also 1994 das traditionelle Dorfgasthaus von seinen Eltern übernahm, wurde Der Floh auch zum Namen des Weinrestaurants, das er daraus machte. Wein war sein großes Hobby. In den ersten zehn Jahren habe ich all meine Gewinne in den Aufbau eines Weinkellers gesteckt. „Wir haben lustige Dinge gemacht, wie z.B. die Verleihung der Floh Wein Oskars für junge Winzer und den Floh Wein Cup, bei dem alle Winzer einer Gemeinde mit ihren Weinen gegeneinander antraten. Natürlich haben wir dann ein Menü serviert und unsere Gäste durften wählen.“

Mit rund 20.000 Flaschen im Weinkeller und zweitausend verschiedenen Weinen auf der Speisekarte hat er sich einen Namen gemacht und viele (Wein-)Preise gewonnen. Das hat natürlich ein neues Publikum angezogen. Viele Gastronomen machen dann den Fehler, die Einheimischen zu entfremden. „Das will ich nicht. Ich bin hier aufgewachsen, viele Menschen im Dorf sind Freunde und Bekannte. Ich bin Mitglied des Fußballklubs und der Freiwilligen Feuerwehr. Ich versuche wirklich, mich an das Dorfleben zu beteiligen.

Den Stammtisch am Eingang seines Restaurants hält er in Ehren, damit die Anwohner – wie früher bei seinen (Groß-)Eltern – ‚frühshoppen‘ können: Bier trinken, Karten spielen, diskutieren. Sie können sogar über einen separaten Korridor zu ihrer ‚eigenen‘ Toilette gehen. „Weil es ihnen unangenehm ist, wenn sie durch das Restaurant gehen müssen.“

Seit der letzten Renovierung – im Jahr 2012 – gibt es eine offene Küche und die Fassade wurde mit Holzbrettern und Pflanzgefäßen voller Kräuter verkleidet. Dieser rustikal-moderne Look spiegelt sich im Interieur wider. Mit einem zweiten Speisesaal und einem Innenhof hat sich das Restaurant seit der Zeit seiner (Groß-)Eltern erheblich vergrößert, aber in der ursprüngliche Stube stehen noch die damaligen Massivholztische und Wandbänke. Das ist das Herzstück unseres Betriebs und wird es immer sein. „Jetzt ist der Trend informell und gemütlich, aber bei uns war das immer schon so.“

Petri Heil

Seine Weinkarte ist drei Bücher dick, aber Josef Floh empfiehlt jetzt immer öfter Gemüse- oder Fruchtsäfte und sogar Tee zum Essen. „Früher hatte ich ein Weinrestaurant mit guter Küche; jetzt spielt das Essen die Hauptrolle.“

Neben Gerichten wie ‚Fischsuppe mit Fischfilet, Kohlrabi und Kamille‘ finden sich auf der Speisekarte immer wieder Überraschungen wie ‚Lamm: je nachdem‘ (wie es passt) oder ‚Fisch: Petri Heil‘. Da ich alles – einschließlich Schalen und Stielen – sowohl von Tieren als auch von Gemüse verwende, muss ich improvisieren können. Köche, die nur mit einem festen Menü arbeiten, haben immer Reste, die sie wegwerfen müssen. Das würde mich verrückt machen. Es zeigt Respektlosigkeit gegenüber Ihren Produkten“.

Josef Floh führt das Restaurant mit seiner Frau. Sie sagt immer: „Ich brauche keinen Schmuck, ich will nur anständig essen. Deshalb hat sie mich geheiratet“. Schwester Gerda arbeitet auch im Familienbetrieb: im Winter im Restaurant und im Sommer in ihrem eigenen ‚Gastgarten‘, einer großen Terrasse am Donauufer (entlang der Route des Donauradweges) auf der anderen Straßenseite.

Schritt für Schritt will ‚Der Floh‘ den Weg von einem Weinrestaurant zu einem radikal regionalen und nachhaltigen Küche ausbauen – was wieder einmal die nötigen Preise und Auszeichnungen hervorbringt. Das elektrische Firmenauto ist bereits da. Der Floh verfügt über einen kleinen, biologisch zertifizierten Garten und will nun auch Kleintiere wie Hühner und Schweine halten. „Mein Vater hatte früher einen kleinen Bauernhof neben dem Wirtshaus. Als ich als junger Mann nach Hause zurückkehrte, dachte ich nicht, dass wir diese Art von Landwirtschaft brauchen. Jetzt ertappe ich mich dabei, dass ich viele der Dinge, die mein Vater getan hat, wieder aufnehme.“

Tullner Str. 1 in Langenlebarn, derfloh.at, derfloh.at

Der Floh © Juergen Skarwan

Josef Floh (1971)

  • Verheiratet mit Elisabeth, zwei Kinder (Luisa und Josef)
  • Koch des Jahres (Bertelsmann Guide 2001); Trophée Gourmet: Bürgerliche Küche (À La Carte 2004); Wirt des Jahres (Wirtshausführer 2014, Falstaff 2016); bestes nachhaltiges Restaurantkonzept (Schlemmeratlas 2016); Weinkarte des Jahres (Gault-Millau Weinführer 2015)
  • Ehrenmitglied der JRE (Jeune Restaurateur d’Europe), einer Vereinigung junger Spitzenköche und Gastronomen, die sich eher als Kollegen denn als Konkurrenten sehen.
  • Gastwirtschaft Floh: Falstaff: 3 Gabeln, À la carte: 3 Sterne, Gault Millau: 3 Hauben, Schlemmer Atlas: 3 Kochlöffel
  • Wissenswert: Im Jahr 2016 erschien Der kleine Floh: ein Kochbuch mit gesunden Rezepten für Kinder von 0 bis 1 Jahr. Josef Floh testet die Rezepte an seinem 2015 geborenen Sohn. Inzwischen ist auch Der kleine Floh 2 erschienen, für Kinder (und ihre Familien) ab 2 Jahren. derfloh.at/derkleinefloh_bestellen
Hubert Wallner
© Juergen Skarwan
© Luzia Ellert