Michael Sicher

Fischwalhalla

Michael und Wolfgang Sicher wurde die Liebe zum Fisch mit der Muttermilch eingeflößt. In ihrem renommierten Restaurant servieren sie Forellen, Saiblinge und Kaviar aus eigener Zucht. Frischer könnte es nicht sein.

Text: Frits Roest / Bild: Restaurant Sicher, Ferdinand Neumüller

„Wenn ich ein Restaurant betrete und es nach Fisch riecht, drehe ich mich sofort um“, sagt Wolfgang Sicher nach der Hälfte des Abends. Und erst dann merkt man, dass dieser typische Geruch im Fischrestaurant Sicher tatsächlich fehlt. „Frischer Fisch riecht nicht nach Fisch“, sagt er. Und er kann es wissen. Er und sein Bruder Michael setzen eine Familientradition fort. In einem alten Sägewerk in Tainach (Kärnten) eröffneten ihre Eltern 1972 ein Restaurant. Dank des fließenden Wassers des Tainach-Baches begann der Vater eine Fischzucht. Mutter stand in der Küche. Nun teilen ihre Söhne die Aufgaben auf. Wolfgang ist nicht nur Gastgeber, sondern auch Sommelier; Michael kocht und kümmert sich um den eigenen Gemüse- und Kräutergarten. „Manchmal koche ich mit meinen Gummistiefeln noch an“, sagt er. „Ich bin Koch, weil ich den Familienbetrieb mit meinem Bruder weiterführen wollte. Sonst wäre ich wahrscheinlich Landschaftsarchitekt geworden. Ich liebe die Natur. Nachdem ich aufgestanden bin, gehe ich direkt in den Garten“.

Wie die Mutter, so der Sohn

Mit Michael in der Küche wurde das Sicher zum besten Fischrestaurant Österreichs. Er hat die Kochkünste nicht von einem Fremden. Bevor seine Eltern ein Restaurant gründeten, war seine Mutter Friseurin. Doch auch als Küchenprinzessin machte sie sich schnell einen Namen. Michael: „Als alle nur ganze Fische backten, servierte sie bereits sehr modernes Forellenfilet.“

Er serviert selbst keinen Fisch, sondern Fischkreationen. Wunderschöne Teller mit unerwarteten Kombinationen von Zutaten. Wie zum Beispiel geräucherter Saibling mit Malz und Vap Ca (ein vietnamesisches Kraut, das nach Fisch riecht), Forelle mit Shiitake und Bärlauch oder marinierte Forelle mit Lardo-Chips. Die Aromen sind intensiv, wie eine Flusskrebscremesuppe, die um bis zu anderthalb Tage reduziert wurde. Als Ausnahme von der Regel stammen diese Krebse nicht aus eigener Zucht, sondern aus der Drau. Die Speisekarte enthält auch einige Fleischgerichte. „Aber sie werden nicht oft bestellt“, sagt Wolfgang. „Viele Gäste kommen gerade wegen der Fische“.

Bei gutem Wetter werden die Tische im paradiesischen Garten gedeckt. Im Inneren des Restaurants ist die Atmosphäre rustikal. Abgesehen von einer neuen Bar, besserer Beleuchtung und moderner Kunst an den Wänden haben die Brüder die Einrichtung aus der Zeit ihrer Eltern bewahrt. Ebenso die Fresken von Sternbildern an der Holzdecke, die damals von einem Freund ihres Vaters angefertigt wurden.

Inspiration für neue Gerichte bekommt Michael bei der Arbeit im Garten oder im Urlaub. Das Restaurant ist im Oktober und von Januar bis Ende April geschlossen. Dann reist er drei oder vier Wochen lang mit einem Rucksack durch Südamerika, um mit vielen neuen Ideen nach Hause zu kommen. Anschließend bespricht er sie mit seinem Bruder und ihren beiden Ehefrauen. Manchmal vergehen Monate der Diskussion, des Ausprobierens und der Fehler, bevor etwas Neues wirklich auf den Tisch kommt.

Saibling-Kaviar

Das Restaurant kann fünf Monate im Jahr schließen, weil es für die Brüder zu einem „Hobby“ geworden ist. Die finanzielle Basis liefert ihre Kaviarproduktion. Als ihr Vater meinte, es sei eine Schande, dass die geschlechtsreifen Saibling-Weibchen ihre Eier in den Schlamm der Zuchtbecken legten, gingen die Brüder ‚auf den Kriegspfad‘. Nach fünf Jahren Forschung und Gespräche mit Fischzüchtern auf der ganzen Welt entdeckten sie eine Methode, den kostbaren Kaviar zu ‚melken‘, ohne die Fische zu töten (wie es beim Stör geschieht). Das Fischweibchen wird mit Nelkenöl betäubt und mit großen Handschuhen aus dem Wasser gehoben (damit die Schleimhaut nicht verletzt wird). Dann wird sie so lange am Bauch massiert, bis sie alle Eier verloren hat. Wenige Sekunden später tummelt sie wieder fröhlich im Teich.

Der auf diese Weise gewonnene Kaviar wird nur mit wenig Salz konserviert. Die blassorangenen Kugeln sind glatt, platzen fröhlich auf der Zunge und hinterlassen einen milden und eleganten Geschmack. Sie werden auf der ganzen Welt verkauft, finden aber auch in der eigenen Küche breite Verwendung. Für ein Gericht serviert Michael sogar seine zarten Fischeier in Sojasauce. Überraschenderweise bleibt der Geschmack gut erhalten. Man muss sich trauen.

Mühlenweg 2, Tainach, sicherrestaurant.at

Michael Sicher

  • Verheiratet
  • 2015: Gewinner ‚Goldene Roulette Kugel‘, eine Auszeichnung der Casinos Austria und des Gault Millau für Restaurants, die auf Tradition, Regionalität und Nachhaltigkeit achten.
  • 2012: Coq d’Or (Goldener Hahn) aus Le Guide Gourmand für den Saiblingkaviar.
  • Restaurant Die Forelle: Falstaff: 3 Gabeln, À la carte: 3 Sterne, Gault Millau: 4 Hauben, Schlemmer Atlas: 3 Kochlöffel
  • Wissenswert: Der 2014 verstorbene Komponist, Pianist und Sänger Udo Jürgens war hier ‚Stammgast‘.
Hubert Wallner
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