Wandern
KAT-Walk
Text: Emely Nobis / Bilder: Frits Roest
Die Kitzbüheler Alpen in Tirol sind vor allem als Skidestination bekannt. Als erstes fällt daher auf, wie grün und relativ unberührt sich die Landschaft außerhalb der Wintermonate präsentiert. Natürlich kommen wir hier und da an Skiliften und Stationen vorbei und sehen Spuren von Pisten, aber das ist nicht das vorherrschende Bild.
Die Etappen des Kitzbüheler Alpenweges (kurz KAT-Walk) sind wirklich für naturverbundene Wanderer konzipiert. Dort, wo Sie an einem Skilift vorbei kommen, ist dies besonders angenehm, weil Sie die Strecke verkürzen können, wenn das Wetter nicht mitspielt oder sich der Aufstieg als zu schwierig erweist. Denn auf Ihren Hausschuhen werden Sie diese mittelschwere Fernwanderung sicher nicht gehen. Jeden Morgen steigt man von einem Dorf im Tal auf, um am Nachmittag in einem anderen Tal wieder abzusteigen. Wir testeten die Etappen 4, 5 und 6 des KAT-Walk: Wanderungen von mindestens 6,5 Stunden ohne Pausen. Dann hilft es, wenn Sie ab und zu den Lift nehmen können. Es hilft auch, wenn Sie nur mit einem Tagesrucksack wandern müssen, da der KAT-Walk – von Hopfgarten bis St. Ulrich im Pillerseetal – mit Gepäcktransport gebucht werden kann.
Etappe 4: Aschau-Kitzbühel: Hahnenkamm-Abstieg
Der erste Tag, von Aschau nach Kitzbühel, beginnt mit einem langen Anstieg über Waldwege und durch sumpfige Wiesen mit Bächen, Farnen und grasenden Kühen. Hinter uns liegt das Tal wie eine leuchtende Perle. Geradewegs durch ein Almengebiet wandern wir zur Kleinmooser Niederalm auf 1.624 Meter. Die Kühe rund um die verlassene Hütte scheinen speziell für uns zu posieren.
Nach mehr als neunhundert Höhenmetern erreichen wir zur Mittagszeit den Pengelstein, mit 1933 Metern der höchste Punkt dieser Etappe. An der gleichnamigen Bergstation essen wir eine Brettljause mit Käse und Fleisch. Von hier aus wandern wir sichtbar durch das Wintersportgebiet. Wir sehen verpackte Schneekanonen, einen Speichersee und einige große, in Folie verpackte Schneehaufen, die für die kommende Skisaison erhalten bleiben sollen. Doch im Sommer hat hier der Landwirt das Sagen. Ein Güllewagen fährt hinaus und verbreitet einen altmodischen ländlichen Duft. Braun-weiß gefleckte Kühe laufen herum, nicht durch Zäune behindert. Manchmal kreuzen sie buchstäblich unseren Weg, und die Versuchung, sie zu berühren, ist groß, aber wir wissen, dass wir das nicht tun sollten. Besonders Mutterkühe mit Kälbern können gefährlich sein, wenn sie sich bedroht fühlen. So vergnügen wir uns in angemessener Entfernung. An einer Wegkreuzung grast eine große Gruppe der Damen. Ihre Glocken klingen wie ein mehrstimmiges Glockenspiel-Konzert. Überall stehen Spaziergänger, um die fast meditativen Klänge wirken zu lassen.
Weiter vorne an der Hahnenkammbahn herrscht reger Betrieb. Von Kitzbühel aus können Sie hier mit dem Lift hinauffahren. Viele Touristen kommen, um einen Blick auf den Ort zu werfen, an dem die Skifahrer bei Wettkämpfen ihre anspruchsvolle Abfahrt beginnen. Jetzt schweben bunte Gleitschirme über den Hängen. KAT-Wanderer können von hier aus mit dem Lift nach Kitzbühel hinunterfahren: ein Muss, wenn man sich die Zeit nehmen will, die Stadt zu erkunden. Wir wandern abwärts, ziemlich steil bergab und teilweise auf einem schwierigen Schotterweg. Als Belohnung passieren wir legendäre Orte der Hahnenkammabfahrt wie die Mausefalle (wo die Skifahrer Sprünge von bis zu achtzig Metern machen) und den Streiff (Geschwindigkeiten von bis zu 140 Stundenkilometern). Als wir schließlich an der Talstation ankommen, sind wir auch schon fast in unserem Hotel im Zentrum von Kitzbühel. Unser Gepäck, das wir heute morgen in Aschau zurückgelassen haben, wartet schon in der Halle auf uns.
Etappe 5: Kitzbühel-St. Johann in Tirol: Alpenblumengarten
Am zweiten Wandertag, von Kitzbühel nach St. Johann in Tirol, gönnen wir uns einen entspannten Start. Wir meiden den serpentinenreichen Waldweg nach oben und fahren mit der Kitzbüheler Hornbahn zum Alpenhaus auf 1’670 Metern. Auf diese Weise ’sparen‘ wir achthundert Höhenmeter und mehr als zwei Stunden Wanderzeit. Von hier aus wandern wir geradewegs durch einen wunderschönen Alpenblumengarten das letzte Stück hinauf zum Kitzbüheler Horn (1.996).
Hier beginnt der einzige Teil dieser Tageswanderung ohne Liftoption. Der steile Abstieg entlang die Nordwestseite des Kitzbüheler Horns, teilweise mit einem stabilen Geländer aus Stahldraht gesichert, ist nicht jedermanns Sache. Bald nachdem wir über eine Felsspalte den schmalen Pfad den Berghang entlang erreicht haben, treffen wir auf Wanderer, die zurückkommen. Sie sagen uns, dass sie sich bei genauerem Hinsehen aus Höhenangst nicht trauen, es zu tun. Im Gegenteil, wir genießen die Rauheit der Landschaft und die spektakulären Aussichten.
Auf halber Strecke auf einem Plateau steht plötzlich ein riesiger Tiroler Hut aus ‚Schindel‘, den typisch österreichischen Holzdachziegeln. Der Rand des Hutes fungiert als Bank; eine clevere, lustige Art, hier einen Ruheplatz zu schaffen. Sie können mitten in den Bergen zu Mittag essen oder weiter zum schönen Berggasthof Harschbichlalm wandern – wo wir auf der Sonnenterrasse ein großes Glas frische Buttermilch (aber cremiger) mit frischem Himbeersaft trinken.
Von hier aus kann man mit der Gondel nach St. Johann in Tirol fahren, aber ebenso schön wandert man von Alm zu Alm und manchmal durch Waldstücke hinunter. Wie überall ist auch diese fünfte Etappe des KAT-Walk mit gelben Schildern und rot-weißen Kalksteinstreifen an Bäumen, Steinen und Felswänden gut markiert. Das Zentrum von St. Johann entpuppt sich als gemütlich, mit vielen historischen Gebäuden und teilweise autofrei. Wir beenden den Tag im Bierturm der örtlichen Brauerei Huber, einem Familienunternehmen seit 1883. Von der Dachterrasse aus sehen wir das Kitzbüheler Horn. Wir sind heute früh dorthin gelaufen.
Etappe 6: St. Johann in Tirol-St. Ulrich am Pillersee: Almenwanderung
Auf der letzten Etappe des KAT Walk können Sie nicht schummeln. Auf dieser Strecke von St. Johann in Tirol nach St. Ulrich am Pillersee gibt es keine Lifte. In Anbetracht der unberührten Schönheit der Landschaft wäre das ehrlich gesagt auch eine Schande. Vom Dorfzentrum von St. Johann aus erreichen wir über einen Damm entlang die Ache bald den Weiler Oberhofen mit einer Reihe von großen, authentischen Bauernhäusern. Wenn wir nach einer Markierung suchen, zeigt uns eine Bäuerin freundlicherweise die richtige Richtung. Offensichtlich sind wir nicht die ersten Wanderer die hier vorbeikommen.
Weiter kommen wir an einer Trabrennbahn vorbei, gehen auf eine Wiese und biegen rechts auf den Waldweg in Richtung Scheffau ab: ein Weiler mit zwei abgelegenen Bauernhöfen auf 900 Metern Höhe. Wir steigen weiter durch Mischwald – jeweils mit Blick auf die Berge – bis zum Sattel unter dem Kalkstein-Baumooskogel (1400 Meter). Als wir hier ankamen, stellte sich heraus, dass sich die Mühe mehr als gelohnt hat. Es ist atemberaubend schön. Auch wenn wir in den letzten Tagen viele Bergweiden erwandert haben, scheint hier alles größer, grüner und ursprünglicher zu sein. Nirgendwo sonst sind die Berge so schön wie eine Krone, die um die Bergweiden drapiert ist. Während unseres Aufstiegs trafen wir einmal im Wald auf eine Gruppe geführter Wanderer. Jetzt treffen wir stundenlang niemanden mehr.
Abgesehen von den Kühen, die auch hier überall liegen und laufen, scheinen wir in dieser offenen Kulturlandschaft alleine auf der Welt zu sein. Ein ehemaliger Berggasthof auf der Gerstbergalm ist menschenleer; am Außenhahn füllen wir unsere nur noch halb vollen Wasserflaschen auf, nur um sicher zu gehen.
Zum Glück haben wir genug Proviant dabei, denn erst nachdem wir den Abstieg mitten am Nachmittag begonnen haben, erreichen wir die Winterstelleralm: die einzige (sehr einfache) Hütte auf der Strecke, in der man etwas trinken und essen kann. Der Weg ins Tal führt uns auf einem breiten Pfad über Wiesen und später durch den Wald. In unserem Hotel in St. Ulrich erhalten wir nach drei schönen Wandertagen unsere Anstecknadel. Wir sind stolze ‚KAT Walk-Finisher‘.
Kat-Walk-Varianten
Die Kitzbüheler Alpen umfassen vier Feriengebiete: Brixental, St. Johann in Tirol, Hohe Salve und PillerseeTal. Insgesamt gibt es zwanzig Orte um Kitzbühel herum, darunter Kirchberg, Hopfgarten, St. Johann in Tirol und Fieberbrunn. Der KAT-Walk hat zwei Grundvarianten: den KAT-Walk-Alpin (sechs Wandertage, 108 Kilometer, 6350 Höhenmeter) und den weniger anstrengenden KAT-Walk-Kompakt (fünf Wandertage, 76 Kilometer, 4.950 Höhenmeter). Die alpine Version kann als Komplettpaket (Etappen 1 bis 6) oder als verkürzte Version (Etappen 1 bis 3 oder – wie wir es getan haben – Etappen 4 bis 6) gebucht werden.
Seit Sommer 2021 gibt es auch die Variante KAT Walk Family. Die folgt im Wesentlichen der Streckenführung vom klassischen KAT Walk-Kompakt. Unterwegs ist aber ein Angebot für Kids und Jugendliche integriert: Vom Besuch im Streichelzoo über Kletterabenteuer, das Bad im Bergsee oder mit Mountaincarts zu Tal sausen. Zudem gibt es per Bergbahn oder Bus diverse „Schummel“-Optionen.
Alle Varianten beinhalten Unterkunft, Halbpension und Gepäcktransport. Weitere Informationen: kat-walk.at
