Kaiser Franz Josef

Text: Emely Nobis / Bild: Wikimedia Commons

Heutzutage ist Kaiserin Elisabeth von Österreich viel bekannter als ihr Gatte Franz Joseph I. Zu seinen Lebzeiten war es genau umgekehrt. Wie konnte dieser mäßig begabte Monarch 68 Jahre lang an der Macht bleiben?

„Während seiner Regierungszeit (von 1848 bis zu seinem Tod in 1916) hatte Franz Joseph Kultstatus“, sagt Karl Vocelka, Historiker und Professor für österreichische Geschichte an der Universität Wien. „Sein Porträt hing in jedem öffentlichen Gebäude, in jedem Klassenzimmer und in vielen Restaurants. Es gab Briefmarken, Münzen, Anstecker, Spielkarten und Postkarten mit seinem Porträt. Er war wirklich überall. Er hielt die verschiedenen Länder und Nationalitäten im großen österreichischen Kaiserreich zusammen“.

Und das waren nicht wenige: neben dem heutigen Österreich waren das Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Tschechien, die Slowakei, Slowenien und Teile Italiens, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien und die Ukraine. Es war nicht vorgesehen, dass Franz Joseph im Alter von achtzehn Jahren Regent dieses Reiches werden würde. Es stimmt, dass er die Nachfolge seines Onkels, des kinderlosen Kaisers Ferdinand I., antreten sollte, aber unter normalen Umständen wäre dies erst bei dessen Tod (1875) geschehen. Ferdinand wurde jedoch im Revolutionsjahr 1848 abgesetzt, als es in weiten Teilen Europas zu Aufständen kam, bei denen es um ein liberales politisches System ging. Franz Joseph erkannte, wie verwundbar seine Position war und arbeitete bewusst auf ein Bild der Strenge und Bescheidenheit hin. Er fuhr in einfachen Kutschen herum und ging in Lederhose und Janker (einer Trachtenjacke) auf die Jagd, um sich als „Mann des Volkes“ zu profilieren. Der Kaiser war im persönlichen Umgang eher unnahbar, aber auf diese Weise wurde bewusst ein populäres Bild von ihm hervorgebracht.

Huldigung zum 60. Regierungsjubileum

Tatsache ist, dass er nur wenige Bedürfnisse hatte. Vocelka beschreibt ihn als pflichtbewussten, hart arbeitenden Bürokraten, diszipliniert, aber mäßig begabt in Staatsangelegenheiten und mit wenigen Interessen außer Jagd, Pferden und Schlachten (obwohl er selbst fast jeden Krieg und jede Schlacht, die er führte, verlor). Musik interessierte ihn nur, wenn es sich um Marschmusik handelte. Er hatte einen konservativen Kunstgeschmack, konnte mit den Werken von Künstlern der Jahrhundertwende wie Klimt und Schiele nichts anfangen. Vocelka: „Als er in einer Ausstellung das Gemälde eines Hauses mit blauem Vordergrund sah, fragte er den Künstler: „Was ist das?“ Der antwortete: „Eine Wiese.“ „Aber warum ist sie blau?“, wollte der Kaiser wissen. Worauf der Maler sagte: „So sehe ich das“. Franz Josephs Reaktion war typisch: „Wenn Sie das so sehen, hätten Sie nicht Maler werden sollen“.“

50.000 Tiere

Dass die Jagd Franz Josephs liebste Freizeitbeschäftigung war, ist eine Untertreibung. Er hat in seinem Leben mindestens 50.000 Tiere erschossen. Von jedem Tier wurde genau festgehalten, wo und wann es getötet wurde. Fast jeden Sommer reiste er mit seinem Gefolge für vier Wochen in sein Lieblingsrevier in Bad Ischl, auf das er sich laut seiner Korrespondenz oft monatelang freute. Manchmal organisierte er eine Treibjagd, besonders um Elisabeth zu erfreuen, die darin sehr geschickt war. Er selbst bevorzugte die Pirsch im Hochgebirge. Er war sehr sportlich, stand mitten in der Nacht auf und kletterte manchmal stundenlang hoch, um sich an das Wild heranzuschleichen. Er musste sein Gewehr aber nicht selbst nachladen. Dafür hatte er einen Büchsenspanner dabei, einen Diener, der sich unterwegs auch um die Mahlzeiten kümmerte.

Seine letzte Jagd fand am 14. Juli 1914 statt, zwei Jahre vor seinem Tod. Er war alt, seine Hände zitterten und so verwundete er einen Hirsch, anstatt ihn sofort zu erlegen. Dies veranlasste ihn, die Jagd einzustellen. Kurz darauf, am 28. Juli 1914, unterzeichnete er in Bad Ischl die Kriegserklärung an Serbien, die den Beginn des Ersten Weltkriegs markierte. Kaum jemand erwartete damals, dass dieser Krieg zum Zusammenbruch des österreichischen Kaiserreichs führen würde. Der Kaiser starb am 16. November 1916 mitten im Krieg. Sein Trauerzug durch das winterliche Wien wurde gefilmt und war in weiten Teilen der Welt zu sehen.

Die Kehrseite

Ein berühmter Ausspruch Franz Josephs lautet: „Mir bleibt nichts erspart.“ Damit meinte er das persönliche Leid in seinem Leben, wie die Hinrichtung seines Bruders Maximilian (1867) in Mexiko, den Selbstmord seines Sohnes Rudolf (1889) und die Ermordung Elisabeths (1898). Er selbst überlebte im Jahr 1853 ein Attentat. Zusätzlich zu den vielen Geschenken, die er aus diesem Anlaß erhielt, wurde auch die Wiener Votivkirche aus Dankbarkeit gebaut.

Zeichnungen von Franz Joseph I.

„Das Bild des leidenden Kaisers ist fast zu einem Klischee geworden“, sagt Vocelka. Franz Joseph regierte als absoluter Monarch und ließ viele Bürger verfolgen, einsperren oder hinrichten. Seine Kriegserklärung von 1914 stürzte viele Menschen in tiefes Elend. Leider erlaubt uns die Pressezensur seiner Zeit, nur wenige kritische Meldungen aufzuzeigen. Eine zeigt eine tschechische Karikatur von Franz Joseph, der in einem Feld voller Galgen steht, während er ein Kind an seinen Säbel spießt. „Es ist die einzige Karikatur, die wir finden konnten.“

Franz Joseph hat als Kind Karikaturen seiner Lehrer angefertigt. Vocelka: „Sie zeigen, dass er sehr viel Talent und Humor hatte. Als Kind schrieb er auch sehr lustige Briefe an seine Brüder. Aber seine militärische Erziehung zerstörte jegliche Kreativität. Er wurde mehr und mehr gehemmt. Zugleich muss man sagen, dass seine Erziehung seine natürliche Begabung gestärkt hat. Er war etwas weltfremd und kein großer Intellektueller, aber es gelang ihm im Laufe seines Lebens, sich selbst zu einer mythischen Figur zu machen.“

Franz Joseph und die Frauen

Sophie Friederike von Bayern © ÖNB

Die erste und wichtigste Frau im Leben Kaiser Franz Josephs war seine Mutter Sophie (1805-1872). Während der Revolution von 1848 setzte sie ihren Mann unter Druck, abzudanken und schob ihren Sohn vor. Ihr ganzes Leben lang übte sie großen politischen Einfluss auf ihn aus. Der Historiker Karl Vocelka beschreibt sie als eine starke und entschlossene Frau: „Man sagte, sie wäre der einzige Mann in der Familie. Franz Joseph hatte eine sehr starke Bindung zu ihr und war sehr traurig, als sie starb, während der Tod seines Vaters ihn kaum zu berühren schien“.

Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn

Leider konnten sich seine Mutter und seine Frau Elisabeth von Bayern (Tochter von Sophies Schwester Ludovika) einander überhaupt nicht leiden. Sisi (wie ihre Familie sie liebevoll nannte und nicht Sissi wie im Film) war in den Augen ihrer Schwiegermutter zu unbefangen und verhielt sich zu wenig nach der strengen Hofetikette. Umgekehrt konnte Sisi Sophies Einmischung in die Erziehung ihrer Kinder nicht ertragen. Die Tatsache, dass sich Franz Joseph öfter auf die Seite seiner Mutter stellte als auf die seiner Frau, tat der Beziehung nicht gut. Vocelka betont jedoch, dass der Kaiser Elisabeth sehr geliebt habe. Es begann eigentlich wie ein Hollywood-Film. Historisch gesehen war der Film gar nicht so falsch. Franz Joseph lernte die damals 15-jährige Sisi auf einem Ball zu seinem Geburtstag in Bad Ischl kennen. Es war geplant, dass er ihre ältere Schwester Helene heiraten würde, aber er verliebte sich in Elisabeth und wenig später verlobten sie sich.

Es war nicht nur das angespannte Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter, das zu Spannungen in der Beziehung führte. Bald kamen die Affären des Kaisers mit anderen Frauen hinzu. Vocelka: „Die Tatsache, dass ein Monarch Mätressen hatte, gehörte damals mehr oder weniger dazu. Die meisten Ehefrauen akzeptierten das.“ Elisabeth akzeptierte das nicht. Sie hatte aus Liebe geheiratet und sah, wie ihre Bindung langsam zerbrach. Die Beziehung ihrerseits wurde zunehmend kühler.

Aus Gedichten, die erst in den letzten Jahren herausgegeben wurden, wird sehr deutlich, dass sie keine Gefühle mehr für ihn hatte. Wenn er kommt und sie ihre „Pflicht“ erfüllen muss, schreibt sie, sollte er nicht überrascht sein, wenn ihn ein eiskalter Wind trifft. Im Gegenzug zeigt die Korrespondenz Franz Josephs, dass er Elisabeth immer geliebt hatte. Nachdem sie im Jahr 1898 in Genf vom italienischen Anarchisten Luigi Lucheni erstochen worden war, musste ihre Hofdame, Gräfin Irma Sztáray, ihm bis ins Detail erzählen, wie es geschah und ob sie gelitten hatte. Da Elisabeth in einem geschlossenen Sarg nach Wien gebracht wurde, konnte er sie nicht mehr sehen. Er hat die Gräfin gefragt, ob sie Elisabeth eine Haarsträhne abgeschnitten hatte, damit er ein Erinnerungsstück habe. Die Gräfin aber ist schockiert: Natürlich hätte sie es nie gewagt, ein Stück von Sisis schönen langen Haaren abzuschneiden. Aber ich finde es bezeichnend, dass der Kaiser fragt.

Anna Nahowski

Wir wissen nicht, wie viele Mätressen Franz Joseph hatte. Bewiesen sind nur zwei längere Beziehungen. Anna Nahowski war fünfzehn Jahre alt (und bereits verheiratet), als der Kaiser ihr im Jahr 1875 bei einem Spaziergang im Park von Schloss Schönbrunn begegnete. Vocelka: „In ihrem Tagebuch schreibt sie zum Beispiel, dass er ihr sagte, sie solle ohne Kleider im Bett liegen, wenn er vorbeikommt.

Katharina Schratt & Franz Joseph

Seine Affäre mit der zu ihrer Zeit berühmten Schauspielerin Katharina Schratt begann im Jahr 1883. Vocelka: „Es gibt so viele Briefe, in denen sie schreiben, dass sie gemeinsam ‚Guglhupf‘ essen werden, dass wir sicher wissen, dass sie auf ihre Beziehung anspielen.“

Elisabeth, die schon damals keine Liebe mehr zu Franz Joseph empfand, förderte sogar seinen Kontakt zur Schratt, vielleicht auch, weil es ihr von ihren „ehelichen Pflichten“ befreite. Die Beziehung zwischen dem Kaiser und der Schauspielerin dauerte bis zu seinem Tod im Jahre 1916.

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